Seite 2 Ein wenig Waldglas-Chemie
Natrium- und Kaliumglas
Natrium- und Kaliumoxid sind neben Kalziumoxid und
Siliziumdioxid die wesentlichsten Komponenten eines Glassatzes; sie setzen den
Schmelzpunkt (besser: -bereich) des Gemenges herab, Natriumoxid stärker als
Kaliumoxid. Sie werden nicht als Oxide eingesetzt, sondern in Form der
Karbonate bzw. Hydrogenkarbonate.
Die Quellen für Natriumoxid sind Trona
(ein Doppelsalz von Natriumkarbonat und Natriumhydrogenkarbonat) aus
insbesondere den ägyptischen Sodaseen und die Asche
von Halophyten (Salzpflanzenasche; enthält Natriumkarbonat), während die Quelle
für Kaliumoxid Holzasche (allgemeiner Landpflanzenasche; enthält
Kaliumhydrogenkarbonat) ist.
Diese Rohstoffquellen wurden in den verschiedenen Zeiten je
nach Verfügbarkeit genutzt.
Kaliumglas ist weniger korrosionsresistent als Natriumglas;
die vielen mittelalterlichen zerstörungsgefährdeten Kirchenfenster aus
Kaliumglas sprechen eine beredte Sprache.
Antikes römisches Glas ist ausschliesslich
Natriumglas. In den Randgebieten des römischen Reiches wurde Kaliumglas und
Kalium-Natrium-Mischascheglas hergestellt, was noch wenig bekannt ist und
untersucht wurde.
Das in dieser Webseite unter Page 3 vorgestellte Glasmosaik
aus Italien, datiert in die römische Kaiserzeit, ist ein Kaliumglas, das sicher
nicht aus einer römischen Werkstatt stammt, sondern aus einer im Randbereich
des Römischen Kaiserreiches.
Die leichte Einfärbbarkeit ist eine der vielen hervorstechenden Eigenschaften des Werkstoffes „Glas“.
In den einzufärbenden Glasfluss werden Metalloxide als solche oder besser in Form von hochkonzentrierten gefärbten Gläsern eingeführt. Man unterscheidet dabei
Ionenfärbungen durch in Ionenform vorliegende Metalle wie Eisen, Kupfer, Kobalt, Mangan u. a.
Kolloidale Färbungen durch sehr fein verteilte Metalle (z. B. Gold), Metalloxide (z. B. Kupfer(I)-oxid) oder Sulfide (im Zusammenspiel mit Eisen und Kohlenstoff)
Besonders interessant und für die Praxis wichtig sind die durch Eisenionen hervorgerufenen Färbungen; sie können blau, gelb oder (als Mischfarbe) grün sein, je nach dem Oxidationszustand des Eisens, der sich beim Niederschmelzen des Gemenges im Ofen entsprechend dem Sauerstoffgehalt der Ofenatmosphäre eingestellt hat.
Eisen(II) färbt den Glasfluss blau, Eisen(III) färbt ihn gelb. Grün stellt sich bei einem mittleren Sauerstoffgehalt, der zu einem Nebeneinander von Eisen(II) und Eisen(III) führt, als Mischfarbe ein. Dies ist der häufigste Fall in der Praxis.
Grün ist die Farbe des sog. Waldglases. Es heisst so, weil es im Wald aus den üblicherweise eisenhaltigen Rohstoffen Holzasche und Sand hergestellt wurde. Der Name geht nicht etwa auf die „grüne Farbe des Waldes“ zurück.
|
Die Abbildung zeigt einen Brocken von Abfallglas aus einer rezenten Glashütte. Er zeigt deutlich blaue und grüne Bereiche, schlecht zu erkennen auch etwas Gelb. Die Ofenatmosphäre war nicht in Ordnung. |
Schon seit der Antike gibt es Bestrebungen, die Grünfärbung zu vermeiden oder wenigstens zu beseitigen. Das Vermeiden geschieht natürlich am besten durch Verwenden eisenfreier Rohstoffe, die jedoch selten zur Verfügung stehen.
Meistens musste man mit eisenhaltigen Rohstoffen arbeiten und versuchte dann, den Glasfluss zu „entfärben“. Hierzu wurden und werden zwei Wege beschritten:
Bei geringen Eisengehalten oxidiert man das vorhandene Eisen zu Eisen(III), dessen gelbe Farbe vom Auge auf Grund seiner spektralen Empfindlichkeitskurve schlecht erkannt wird. Zu diesem Zweck wird Arsen(III)-oxid oder Antimon(III)-oxid zugesetzt. Diese Oxide katalysieren die Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) im Glasfluss durch den Luftsauerstoff.
Eine bessere Möglichkeit besteht darin, dem Gemenge Braunstein (Mangandioxid, „Glasseife“) zuzusetzen.
Braunstein ist Mangan(IV)-oxid. Es ist im Glasfluss unlöslich und wird daher nur suspendiert. Es zerfällt im Glasfluss in Mangan(III)-oxid und Sauerstoff, der vorhandenes Eisen(II) zu Eisen(III) oxidiert. Mangan(III) färbt den Glasfluss rötlich-violett, Eisen(III) färbt gelb. Diese beiden Farben sind Komplementärfarben, d. h. sie absorbieren zusammen das Licht des gesamten sichtbaren Spektrums. Die Folge ist, dass vom Auge weder Gelb noch Rötlich-Violett gesehen wird, sondern ein leichtes Grau, entsprechend dem aus dem gesamten sichtbaren Spektrum etwa gleichmässig herausgenommenen (absorbierten, subtrahierten) Licht (physikalisch „subtraktive Färbung“ genannt).
Dieses schwache Grau ist nun vom Auge schwer zu erkennen, es vermittelt vielmehr den Eindruck, dass die ursprünglich grüne Farbe des Glases verschwunden ist – man sagt ungenau, das Glas wurde entfärbt. Genau genommen wurde natürlich nur das Grün durch Grau ersetzt.
Wenn das Glas sehr viel Eisen enthält, muss natürlich viel Braunstein zugesetzt werden, mit der Folge, dass das Grau deutlich sichtbar wird. Bei genauem Hinsehen kann man diese Graufärbung bei manchen alten Gläsern deutlich erkennen. Manchmal sieht man einen Violett- oder Gelbstich, was darauf zurückgeht, dass der Glaser nicht die richtige Braunsteinmenge zugesetzt hat. Dies darf nicht verwundern, denn er arbeitete ja rein empirisch, nur auf Grund seiner Erfahrung.
Die Verwendung von Braunstein hat daneben einen weiteren schwerwiegenden Nachteil: im Laufe von Jahrhunderten wird das im Glas gelöste Mangan(III) durch den Luftsauerstoff wieder zu Mangan(IV) oxidiert, das dann als im Glas unlöslicher Braunstein „ausschwitzt“ und auf dem Glas hässliche braune Krusten bildet. Dieser Effekt ist häufig bei mittelalterlichen Kirchenglasfenstern zu beobachten und stellt ein ernsthaftes konservatorisches Problem dar.
Der Kaschiereffekt lässt sich mit Hilfe entsprechend gefärbter Glasplatten demonstrieren:
Links: durch Eisen(III) gelb gefärbtes Glas Rechts: durch Mangan(III) rötlich-violett gefärbtes Glas („manganviolettes“ Glas) Mitte: Durch Übereinanderlegen der beiden Glasplatten entsteht ein Grau (hier leicht farbstichig, da die Färbungen der zur Verfügung stehenden Glasplatten nicht genau abgestimmt waren) |
Aus dem Gesagten folgt, dass es sich bei dem Beseitigen des Grünstiches streng genommen nicht um ein Entfärben handelt, sondern lediglich um ein Kaschieren, ein Verbergen. Im Sinne einer exakten Ausdrucksweise sollte man den Begriff „Entfärben“ vermeiden und durch „Kaschieren des grünen Farbstiches“ ersetzen. Leider hält sich das „Entfärben“ umgangssprachlich hartnäckig, auch in der Glasindustrie.
In der rezenten Glasindustrie bemüht man sich um möglichst eisenfreie Rohstoffe, was jedoch nicht völlig gelingt. Man ist daher auch heute noch (zumindest bei der Produktion von Gebrauchsglas) auf das Kaschieren des grünen bzw. nach der Oxidation gelben Farbstiches angewiesen, das jedoch mit Selen durchführt wird. Selen erzeugt im Glas eine ähnliche Färbung wie Mangan(III), hat jedoch den Vorteil, dass keine Abscheidung von Braunstein erfolgen kann.
Die mittelalterliche Vorrangstellung des wirklich farblosen venezianischen Glases (fälschlich „Kristallglas“ genannt) beruht darauf, dass die venezianischen Glashütten dank ihrer Handelsbeziehungen über praktisch eisenfreie Rohstoffe verfügten, nämlich schneeweisse Kiesel aus dem Ticino (Nebenfluss des Po) und eisenfreie Halophytenasche aus der Levante.
Literatur: P. Kurzmann, Archäochemische Untersuchungen an mittelalterlichem Glas: Über „Farbloses“ Glas und Knochenascheglas, in: P. Steppuhn im Auftrag des Kulturkreises Glashütten e. V. (Hrsg.), Glashütten im Gespräch, Berichte und Materialien vom 2. Internationalen Symposium zur archäologischen Erforschung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Glashütten Europas (2003) 46-49.
P. Kurzmann, Mittelalterliche Glastechnologie. Archäologie – Schriftquellen – Archäochemie - Experimente (2004) 206-208.