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Der Probirer, ein mittelalterlicher Beruf

 

Im Frühneuhochdeutschen bedeutet „probiren“ so viel wie „analysieren“. Ein Probirer war also ein Mann, der Proben untersuchte, z. B. Erze auf ihren Metallgehalt hin. Besonders wichtig war diese Tätigkeit natürlich im Zusammenhang mit dem Bergbau, wenn es um die Abbauwürdigkeit von Erzen ging, besonders bei Silber- oder Goldvorkommen. Die angewandten analytischen Methoden waren dabei die gleichen, wie sie auch im grossen Produktionsmassstab durchgeführt wurden, nur eben im kleinen Labormassstab.

 

 

 

 

 

 

Ein Probirer vor seinem Probirofen

nach Agricola 1556

 

Es scheint regelrechte Laboratorien gegeben zu haben, die solche Arbeiten durchführten; z. B. ist eines aus Basel bekannt (P. Kamber, P. Kurzmann mit einem Beitrag von Y. Gerber, Der Gelbschmied und Alchemist(?) vom Ringelhof, in: Jahresbericht 1998 der Archäologischen Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt (1999) 151-99) , ein zweites aus Freiburg/Br. (Th. Rehren, Die Tiegel und Schmelzschalen aus der Freiburger Innenstadt, in: L. Galioto, F. Löbbecke, S. Kaltwasser, Das Haus „Zum Roten Basler Stab“ (Salzstr. 20) in Freiburg im Breisgau (2002) 531-38).

Die Probirer verfügten nach Agricola bereits über gute Waagen.

 

Auf dem Bild sind drei ungedämpfte Zweischalenwaagen zu sehen, zwei frei hängende und hinten eine zum Schutz gegen Zugluft in einem Gehäuse untergebrachte.

An der linken Waage besonders gut zu erkennen: die Waage kann mit Hilfe einer Schnur und eines Hebels hochgezogen und niedergelassen werden, der Stein am Ende der Schnur fixiert die jeweilige Lage. Diese Vorrichtung ermöglicht das Abbremsen der Schwingungen des Waagebalkens und somit eine rasche Durchführung der Wägungen.

    

  

 

Es ist also nicht richtig, wenn die Einführung des Wägens in die Chemie dem Chemiker Antoine L. Lavoisier (1743-1794) zugeschrieben wird. Agricola beschreibt bereits 1555 (lateinische Ausgabe!) hoch entwickelte Waagen, die bei analytischen Arbeiten benutzt wurden.

Die archäologischen Funde aus Basel und Freiburg lassen erkennen, dass die Probirer neben dieser Tätigkeit auch eine metallverarbeitende ausübten.

In den Wohnhäusern von Bergleuten in ausgegrabenen Bergbaustädten (z. B. auf dem Treppenhauer bei Sachsenburg)  wurden kleine Öfen und Keramikfragmente nachgewiesen, die als Probiröfen und dazugehörige Keramik-Gefässe gedeutet werden. Hier scheinen die Bergleute als Probirer tätig geworden zu sein, vielleicht untersuchten sie Proben aus ihrer Weilarbeit (aus sozialer Not ausgeübte Nebentätigkeit in einem eigenen kleinen Bergwerk).

 

 

Das Rauchgerben

 

Beim Stichwort “Gerberei im Mittelalter“ denkt man üblicherweise an drei Gerbverfahren: das Rotgerben, das Weissgerben und das Fettgerben (Sämischgerben). Eine vierte Art der Gerbung, die Rauchgerbung, wird selten behandelt ( so aber im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, XI, Stichwort „Gerberei“ §§ 2-4, bearbeitet von M. Wintergerst).

Gerbereien können relativ häufig auf archäologischem Wege nachgewiesen werden: die Gerbergruben sind ein charakteristischer Befund. Leider lässt ihre analytische Untersuchung generell zu wünschen übrig.

M. Wintergerst (Produktionsanlagen mittelalterlicher Handwerker in Regensburg, in: M. Angerer, H. Wanderwitz (Hrsg.), Regensburg im Mittelalter (1995) 259-66) publizierte andersartige Befunde, von denen hier einer beispielhaft behandelt werden soll.

 

 

 

 

Regensburg,  Am Singrün 2, Anlage Nr. 3.

Die gefundene Keramik erlaubt eine Datierung in das 14./15. Jh.

 

Es handelt sich um ein horizontales Ofen-Tonnengewölbe, das mit einem offenen Ende in einen grossen, sauber verputzen Raum (Innenmasse 3,2 x 4,9 m) hineinragt. Das andere Ende mündet mit einer kleinen Öffnung in einen Vorraum, der nach oben hin einen Rauchabzug ermöglichte. Der Vorraum war begehbar. Die Anlage wurde im Niedrigtemperaturbereich betrieben.

Der Kontext lässt an eine Anlage zur Lederherstellung denken. Wintergerst vermutet in ihr eine Wärmekammer (Schwitzkammer), die von dem Vorraum aus beheizt wurde. Zitat: „Wie die angeglühten und verziegelten Teile zeigen, ging die Zugführung in Richtung Vorraum“.

Der Autor der vorliegenden Seite wundert sich hierüber. Dies würde nämlich bedeuten, dass der „Heizer“ im Rauch steht – eine unübliche Anordnung. Logischer wäre eine Zugrichtung vom Vorraum aus in den grossen Raum, in den dadurch der Rauch gelangen würde – eine Rauchgerbung wäre möglich. Der archäologische Befund scheint jedoch gegen diese Interpretation zu sprechen.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Frage anhand zukünftiger  Grabungsergebnisse geklärt werden kann.

 

Der Autor dankt M. Wintergerst für den Hinweis auf seinen Artikel im Reallexikon und für die Diskussion über diesen Komplex.

 

 

Teuchel und ihre Herstellung

 

Teuchel oder Deichel sind Wasserleitungsrohre, auch Pumpenrohre aus Holz. Sie wurden durch Ausbohren von Baumstämmen mit Hilfe der Teuchelbohrer hergestellt. Bei Agricola findet sich eine Abbildung hierzu.

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Herstellen eines Teuchels nach Agricola

 

Ein Teuchelbohrer und ein Teuchel unbekannter Datierung hängen im Torgewölbe der Burg Zavelstein bei Bad Teinach/Württemberg.

 

 

Teuchelbohrer und Teuchel aus Zavelstein.

Laenge des Teuchels: 216 cm

Innendurchmesser des Teuchels: 6,5 cm

Der Teuchel trägt innen an einem Ende ein kurzes dünnwandiges Eisenrohr als Verbindungsstück zum nächsten Teuchel.

 

Teuchel wurden auf Vorrat hergestellt und mussten unter Wasser aufbewahrt werden. Hiervon zeugen noch heute erkennbare Teuchelgruben oder –weiher (z. B. eine Teuchelgrube bei Herrenberg Kr. Böblingen/Württemberg, die Deichelweiher im SO Freiburgs i. Br.).

 

 

Das „Rote Meer“ bei Herrenberg Kr. Böblingen, eine Teuchelgrube. Der Name rührt von der roten Färbung des früher darin stehenden Wassers, die der rote Erdboden ihm erteilte.

Länge der keilförmigen Grube ca. 28 m, Breite ca. 2 bzw. 5 m, Tiefe ca. 1 m. Die Schmalseiten sind gerundet.