Peter Kurzmann
Die Destillation war eine viel geschätzte Arbeitstechnik der
Alchemisten, Apotheker, Köche und Brenner. Entsprechend groß ist der
Formenreichtum an Destillationsgeräten, die im Boden auf uns kommen. Einen
anderen Überlieferungsstrang bilden die Schriftquellen aus dem späten
Mittelalter, die z. T. auch Formen zeigen, die noch nicht als archäologische
Bodenfunde vorliegen. Vielleicht ruhen solche Funde auch noch unerkannt in den
Magazinen der Museen.
In der vorliegenden Arbeit sollen die verschiedensten
Destillationsgeräte vorgestellt werden.
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Ein
destillatorium für die destillatio
per alembicum
Destillation mit dem Alembiken (bei
Brunschwick 1512. Das Originalbild wurde horizontal gespiegelt). Ein Alembik ( lat. alembicus) sitzt auf einem Kolben
(lat. cucurbita). Die abdestillierte Flüssigkeit fliesst in eine
Flasche als Vorlage (lat. receptaculum, recipiens). Der Flüssigkeitsstrahl ist stark übertrieben dargestellt;
so kräftig ist er bei weitem nicht. Die Apparatur wurde in einem Destillierofen im Wasserbad
erhitzt. Geheizt wurde mit Holzkohle. |
Die Funktion der Apparatur
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Der Alembik sitzt auf dem Hals
eines Kolbens. Der beim Destillieren aus dem Kolben aufsteigende Dampf kondensiert
an den Wänden des Alembiken, fliesst hinunter und sammelt sich in der Rinne.
Aus dieser fliesst das Destillat durch den Schnabel in die Vorlage (hier eine
Flasche). Alembik und Vorlage sind
üblicherweise aus Glas gefertigt, der Kolben dagegen ist häufig aus Keramik.
Keramik-Alembiken sind sehr selten. |
Die Grundbausteine einer Destillationsapparatur sind also
ein Destillationsgefäss (hier ein Kolben), ein Destillationshelm (hier ein
Alembik) und ein Auffanggefäss (hier ebenfalls ein Kolben).
Kolben und Alembiken
wurden in grosser Anzahl im Boden gefunden. Sie dienten sehr vielseitigen
Zwecken, von der Alkoholdestillation bis zur Schwefelsäureherstellung.
cucurbita Kolben |
cucurbita Kürbis |
Die Form eines Kolbens ergibt sich beim Glasblasen
praktisch von selbst. Keramik-Kolben haben den Vorteil erhöhter mechanischer
Festigkeit und Temperatur-wechselbeständigkeit. Die Ähnlichkeit der Kolbenform mit der einiger Kürbisarten
führte zu der lateinischen Bezeichnung (Kürbis = lat. cucurbita). Der Hals des abgebildeten Kürbisses ist schon etwas
gebogen, womit sich die Form der cucurbita retorta andeutet
(zurückgebogen = lat. retortus): die Form der Retorte. |
Cucurbita retorta
Retorte |
Destillatio
per retortam
Destillation mit der Retorte |
Die Retorte ist ein Gerät der Labortechnik des 16.
Jahrhunderts. Sie vereinigt in einem Teil die Funktionen des Kolbens und des
Alembiken, stellt also eine rationelle Form dar, die aber die Nachteile der
erschwerten Beschickung und Reinigung hat. Sie wurde wegen des kurzen
Dampfweges zur Destillation hochsiedender Stoffe eingesetzt. Üblicherweise war sie aus Glas; es gibt jedoch auch Retorten
aus Keramik, obwohl die Form hierfür nicht materialgerecht ist. |
Eine weitere Technik ist die
Eine Apparatur für die Destillation mit der Glocke zeigt eine
völlig andere Form. Das Destillationsgefäss, eine Schale, besitzt eine sehr
weite Öffnung, wodurch das Verarbeiten eines sehr grobstückigen
Destillationsgutes, z. B. von mit Wein versetzten Früchten oder vergorenen
Früchten, ermöglicht wird. Destillierglocken wurden im Kontext gehobener
Haushalte wie Burgen, Patrizierhäuser, Klöster gefunden und dienten der
Destillation von Alkohol, der als universelles Heilmittel hoch geschätzten aqua
vitae. Die Glocken waren zum Teil sehr aufwändig verziert.
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Das zu destillierende Gut
befindet sich in dem Destillationsgefäss, einer Schale (patina), die in einem Sand-, Asche- oder
Wasserbad erhitzt wurde. Die aufsteigenden
Dämpfe kondensieren an der Wandung der Glocke und
laufen in die Rinne, von dort aus durch die
Schnauze in die Vorlage (receptaculum),
hier einen Kolben (cucurbita). Das Destillat ist mit sehr
viel Wasser vermischt. |
Ein sehr schönes Beispiel stellt eine Glocke aus Konstanz
dar, die der Autor dieser Seite in der unten genannten Monographie über die
Destillation publizierte.
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Das um 1300 datierte Teil hat die Form einer Frau im
weiten Rock. Die (leider abgebrochene) Schnauze kommt aus der Wurzel
eines Lebensbaumes hervor. Bei der Destillation entspringt eine aqua vitae
einem fons vitae an der Wurzel einer arbor vitae. Die Figur
kann als Maria, dargestellt als fons vitae, interpretiert werden, wenn
auch einige Bedenken bestehen (Handhaltung, wegen des fehlenden Kopfes). |
Das Destillationsverhalten einer Destillierglocke war
unbekannt. Der Autor stellte daher zusammen mit einem Keramikermeister nach dem
Vorbild einer in Bregenz gefundenen Glocke eine solche Apparatur her und
untersuchte ihre Eigenschaften bei der Durchführung von Destillationen nach
alten Rezepturen.
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Nach einem alten Rezept (von Libavius 1597 mitgeteilt)
wurde ein trinkbares Kirschwasser destilliert. Der Alkoholgehalt lag jedoch
nur bei etwa 20-25 Vol.-%. Als Destillationsvorlage diente u. a. ein Rundkolben mit
aufgesetztem Steilwandtrichter. Beide zusammen bilden die Form eines
einzügigen Kuttrolfes. Das Vorbild, die Glocke von Bregenz, wurde vom Autor
dieser Seite publiziert: P. Kurzmann, Die Destillierglocke von Bregenz, in:
Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumsvereins – Freunde der Landeskunde
(1998) 35-45. |
Die Destillationsversuche wurden in einer Monographie
publiziert (P. Kurzmann, Die Destillation im Mittelalter (2000)).
Eine weitere Destillierapparatur ist aus der Literatur und
als Bodenfund aus Dänemark bekannt.
Lit.: R. A. Olsen, Wider das „finstere Mittelalter“, in:
Schweizerischer Burgenverein (Hrsg.), Festschrift für Werner Meyer zum 65.
Geburtstag, Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des
Mittelalters 29, 2002, 153-58.
Libavius (1606) bezeichnet einen solchen Destillierhelm als tiara;
der Autor prägte daher für den Destillationsprozess unter ihrer Verwendung die
Bezeichnung destillatio
per tiaram. Diese Bezeichnung ist jedoch nicht durch alte
Schriftquellen belegt.
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Der Helm besitzt an der Spitze ein Loch, durch das ein
Rohr gesteckt wird. Dieses Rohr wird zur Kühlung durch einen Kühltrichter geführt.
In den Kühltrichter wird von oben Kühlwasser gegossen. Die Abnahme des
Dampfes an der Spitze hat zur Folge, dass nur sehr wenig Wasser in das
Destillat gelangt. Im Versuch konnte mit einer nachgebauten Apparatur ein 70
%iger Alkohol destilliert werden. |
Ein ähnlich funktionierender Destillierhelm (eine patina
mit seitlichem Loch) wurde in Ungarn gefunden (I. Holl, Középkori desztilláló
készülekek cserépböl Köszeg várában (Mittelalterliche Destilliergeräte aus
Keramik in der Burg von Köszeg), Archaeologiai Értesitö 109, 1982, 108-123.)
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Diese Apparatur zur destillatio per patinam muss ein
ähnlich gutes Destillationsergebnis geben, da auch bei ihr nur wenig Wasser in
das Destillat gelangen kann. Auch hier muss das Rohr in ähnlicher Weise
gekühlt werden. Ein Destillationsversuch wurde jedoch noch nicht
durchgeführt. |
Aus Basel (und aus Paris) ist eine sehr altertümliche Form
von Destillationsgefässen bekannt. Sie tragen eine Rinne, der darüber gestülpte
Helm hat die einfache Gestalt eines halbierten Ellipsoids, eines pileus.
Die Funktionsweise ist der einer Glocke vergleichbar.
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In der Abbildung ist das Destillationsgefäss aus Basel
gezeigt. Es kann recht genau in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert
werden. Das Gefäss wurde im 13. Jahrhundert durch Abschlagen der
Rinne zu einem Tiegel umfunktioniert. |
Die Publikation erfolgte von P. Kamber, P. Kurzmann mit
einem Beitrag von Y. Gerber, Der Gelbschmied und Alchemist(?) vom Ringelhof,
in: Jahresbericht 1998 der Archäologischen Bodenforschung des Kantons
Basel-Stadt (1999) 151-99.
Die Destillationsapparaturen aus Keramik zeigen also eine
grosse Vielfalt der Formen. Sie seien in der folgenden typographischen
Übersicht zusammengefasst. Die Typen wurden nach ihrem jeweils ältesten
Repräsentanten benannt.
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Typ |
Fundorte, Datierung |
Anzahl Bodenfunde |
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Basel |
Basel, 13. Jh. Paris, 14. Jh. |
3 7 |
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Scheidegg |
Burg Scheidegg (Kanton Baselland), Anfang 14. Jh. |
1 |
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Konstanz |
Deutschland 14.-16. Jh. Niederlande 15.-16. Jh. England, Spätes MA-1600 Frankreich 15.-16. Jh. Österreich 14. Jh.-Frühe NZ Slowakei 14.-15. Jh. Ungarn 13.-Anfang 16. Jh. |
10 1 5 2 4 1 7 |
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Bjørnkær |
Dänemark; 1. Hälfte 14. Jh. Ein Kühltrichter ist aus Deutschland bekannt, Mitte 15.
Jh. |
ca. 8 (keine genaue Angabe) |
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Köszeg |
Ungarn, Anfang 16. Jh. |
1 |
Es zeigt sich, dass der Forschungsstand noch recht
lückenhaft ist. Manche Typen sind nur durch einen Vertreter repräsentiert. Der
Typ Konstanz ist der häufigste; es gibt bei ihm viele verschiedene Ausprägungen
der Glockenrinne.
Eine Chronologie lässt sich aus dieser Zusammenstellung
nicht ableiten; viele Typen existierten nebeneinander. Der Typ Basel scheint
der altertümlichste zu sein. Der Typ Konstanz muss als Durchläufer bezeichnet
werden.
Vom Standpunkt der Destillationstechnik gesehen ist der Typ
Bjørnkær der beste: auf Grund seiner Konstruktion vermeidet er das Übergehen
von Wasser, das im Helm kondensierte, und ermöglicht eine gewisse Rektifikation
(Anreicherung des Destillats an Alkohol). Er liefert ein Destillat mit hohem
Alkoholgehalt.
DrDrKu 13.9.03. Rev. 5.7.05